• Waldorfschulen stehen allen Kindern offen – unabhängig von Religion, Nationalität und Einkommen der Eltern.
  • Mit ihrem ganzheitlichen Ansatz beginnt die Waldorfpädagogik im Kindergarten.
  • Die Methode des Lehrens und die Lerninhalte richten sich nach den Entwicklungsphasen der Kinder und Jugendlichen.
  • Waldorfschulen sind weder staatlichen Planungen noch Wirtschaftsinteressen verpflichtet.
  • Waldorfschulen wollen die Fähigkeiten der Kinder entwickeln. Sie treffen keine Auslese. Es gibt kein Sitzenbleiben, wohl aber individuelle Leistungsanforderungen.
  • Die Schulzeit an der Waldorfschule ist der Teil der Biografie, in dem lebenslanges Lernen angelegt wird.
  • Waldorfschulen sind keine Weltanschauungsschulen.
  • Im Wesen der Waldorfpädagogik liegt begründet, dass sie sich stets weiterentwickelt.
  • Lehrer und Eltern arbeiten im Sinne einer gemeinsamen Erziehung eng zusammen.

Unterstufe

1. bis 4. Klasse

Das Verhältnis zur Welt ist gemüthaft, die Kinder lernen unter anderem noch durch Nachahmung. Daher haben das Spielen, Singen, Malen sowie Märchen, Legenden und Geschichten eine große Bedeutung im Unterricht. Die Kinder sind aufgeschlossen für das Schöne, Gute und Geistige in der Welt. Sie wollen sich an der natürlichen Autorität der Erwachsenen orientieren.

Dem Bewegungsdrang in der 1. und 2. Klasse versucht die Schule durch die Einrichtung des Klassenraumes gerecht zu werden. Statt Stühlen und Tischen gibt es Bänke und Kissen, die je nach Bedarf arrangiert werden können.

Schreiben, Lesen, Rechnen, zwei Fremdsprachen, Natur- und Sachkunde, Malen, Musik, Eurythmie, Spielturnen und Handarbeit für Jungen und Mädchen werden ab der 1. Klasse unterrichtet. In der 3. Klasse legen die Schüler ein Getreidefeld an, ernten das Korn und backen in der 4. Klasse ihr eigenes Brot. Außerdem beschäftigen sie sich mit dem Handwerk
und bauen unter Anleitung ein kleines Haus.

Mittelstufe

5. bis 8. Klasse

Der Wahrnehmungshorizont der Schüler ist gewachsen. Sie interessieren sich zunehmend für lebenspraktische Fragen. Das Selbermachen und Lernen durch Versuch und Irrtum gewinnt an Bedeutung. Die Welt der Erwachsenen wird auf ihre Regeln und Wahrhaftigkeit geprüft. Der Lehrer muss mit seiner Persönlichkeit und seinem Weltinteresse den Schülern Orientierung bieten.

Neue Fächer sind Werken und Gartenbau ab der 6. Klasse. Im Naturkundeunterricht werden zusätzlich zur Physik und Chemie Gesteins- und Himmelskunde behandelt.

Oberstufe

9. bis 12. bzw. 13. Klasse

Die Schüler entwickeln mehr und mehr Fähigkeiten zum abstrakten Denken. Sie wollen die Zusammenhänge in Natur und Gesellschaft gedanklich durchdringen und dabei ihren eigenen Standpunkt finden und zu behaupten lernen. Bei den Lehrern ist deren Fachautorität von zunehmender Bedeutung.

Zusätzlich zu den bisher genannten Fächern werden Zeichnen und Malerei, künstlerisches Gestalten mit Ton, Holz und Stein, Tischlern, Kupfertreiben, Schmieden und Buchbinden angeboten.
Die Schüler werden auf den Waldorfabschluss und auf die Prüfungen für den Ersten Allgemeinen Schulabschluss, den Mittleren Schulabschluss, die Fachhochschulreife und das Abitur vorbereitet.

Was den Menschen vor allen anderen Lebewesen auszeichnet sind seine Hände, mit denen er gestaltend in der Welt tätig sein kann. Seine Hände zu gebrauchen entspricht einem inneren Bedürfnis. Säuglinge greifen nach allem, was in ihr Blickfeld gerät. So lernen sie ihre Umgebung begreifend kennen. Es ist daher kein Wunder, dass die Hirnareale, die beim Gebrauch unserer Hände aktiv sind, jenen entsprechen, die für das Begreifen und Verstehen zuständig sind.
Diese inzwischen auch naturwissenschaftlich belegte Tatsache ist einer der Gründe dafür, dass unsere Schüler ab der 1. Klasse Unterricht in Handarbeit und Flöten haben.

Darüber hinaus verschafft jede sinnvolle Tätigkeit unmittelbar Befriedigung und trägt so zu einer guten Lernatmosphäre bei.
Außer in den Fächern Werken, Handarbeit und Gartenbau wird Praktisches auch sonst so weit wie möglich in den Unterricht integriert.

Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang auch die in der Oberstufe durchgeführten Praktika.
So können die Schüler ihre geometrischen Kenntnisse im Vermessungs-Praktikum anwenden und vertiefen. Im Sozialpraktikum erhalten sie wertvolle Einblicke in die Lebensbedingungen hilfebedürftiger Menschen und können an diesen Erfahrungen reifen. Die Praktika im Handwerk und in der Landwirtschaft schließlich ermöglichen die Anwendung des schulischen Lernstoffs auf die Realität des Wirtschaftslebens. Nicht selten entwickeln sich dabei Perspektiven für zukünftige Ausbildungsplätze.

Klassenlehrer und Hauptunterricht

Unsere Klassenlehrerinnen und –lehrer begleiten ihre Klasse in der Regel von der 1. bis zur 8. Klasse und unterrichten im Hauptunterricht so gut wie alle Fächer – außer Fremdsprachen, Sport, Eurythmie, Musik, Religion und handwerkliche Fächer wie Werken, Gartenbau und Handarbeit. Die Schüler erleben auf diese Weise bis zum anbrechenden Jugendalter Kontinuität und Verlässlichkeit. Die gewohnte Umgebung und die vertraute Bezugsperson können in dieser Zeit eine wertvolle Stütze für die kindliche Entwicklung sein.

Der Hauptunterricht umfasst täglich die ersten beiden Stunden. In ihnen behandelt der Klassenlehrer ein Stoffgebiet in Epochen über mehrere Wochen hinweg. Unsere Lehrer bemühen sich, den Unterricht immer lebensnah – nicht abstrakt – zu vermitteln. Lehrer und Schüler erarbeiten und erleben die Lerninhalte künstlerisch: Bewegung, Farbe, Klang und Ton, Melodie, Reim und Rhythmus durchdringen und beleben jedes Thema.

Viele Kinder leiden unter der Reizüberflutung, der sie heute ausgesetzt sind: Vor allem optische und akustische Erfahrungen stürmen ungefiltert auf sie ein und stumpfen ihre feinen Sinne ab. Im Gemüt der Kinder entwickelt sich häufig als Gegenreaktion wachsende Aggressivität.
Deshalb bemühen sich unsere Lehrer, die Schüler Töne, Geräusche, Farben, Düfte und Naturstimmungen in all ihren Feinheiten erleben zu lassen. So können sich die Sinne der Kinder gesund entfalten.

„Schwache Reize wirken auslösend, mäßige Reize entwickeln, starke Reize hemmen, überstarke Reize zerstören.“ (Hugo Kükelhaus)

Nach dem Epochenunterricht in den ersten beiden Stunden eines Schulvormittags folgen in Einzelstunden die Fächer, an denen durchgehend gearbeitet und geübt wird: Von der ersten Klasse an sind das zwei Fremdsprachen – an unserer Schule Englisch und Französisch – , Musik, Eurythmie, Turnen, Religion und die Übstunden in Rechnen und Deutsch.

Die praktischen, handwerklichen und künstlerischen Fächer werden in Doppelstunden ein, zwei oder drei Mal in der Woche unterrichtet. Während im Hauptunterricht meist die ganze Klasse gemeinsam unterrichtet wird, werden die Klassen im Fachunterricht zwei- oder dreigeteilt.

Noten

Noten werden in der Unter- und Mittelstufe der Waldorfschule nicht erteilt. Dies bedeutet aber keineswegs, dass Waldorflehrer Fehler – zum Beispiel in Klassenarbeiten – nicht korrigieren. Unsere Lehrer lassen es jedoch nicht bei dürren Noten bewenden, sondern zeigen in kürzeren oder ausführlicheren Würdigungen die individuellen Stärken und Schwächen der Arbeiten auf.

Zeugnisse

In den Zeugnissen am Schuljahresende – es gibt keine Halbjahreszeugnisse – fassen unsere Lehrer die Entwicklungen, die sie während des vergangenen Schuljahres beobachten konnten, in ausführlichen Beschreibungen zusammen. Auf Leistungen, Stärken, Schwächen und Möglichkeiten gehen sie differenziert ein. Bei den staatlichen Abschlüssen– Hauptschul-, Realschulabschluss und Abitur – werden die üblichen Notenzeugnisse erteilt.
Abgesehen vom Übergang von der 12. in die Abiturklasse ist das Versetztwerden nicht an bestimmte Leistungsstandards und Zeugnisnoten gebunden, denn die Waldorfpädagogik orientiert sich nicht am Wissensstand, sondern an den altersgemäßen Entwicklungsstufen der Kinder und Jugendlichen.

Abschlüsse

Das eigenständige Konzept der Waldorfschulen umfasst 12 Schuljahre. Es bietet vielseitige Grundlagen für die unterschiedlichsten Berufsausbildungen und Spezialisierungen.
Am Ende der 12. Klasse machen die Schüler ihren Waldorfabschluss. Er besteht darin, dass die Schüler eine Jahresarbeit anfertigen und in einer öffentlichen Veranstaltung präsentieren, ein Musik- und ein Eurythmieprojekt vorstellen und ein Theaterstück aufführen. Außerdem findet in einer historisch bedeutsamen Stätte im Ausland ein Kunstprojekt statt. Die Leistungen in den einzelnen Fächern werden im Abschlusszeugnis dokumentiert.
Der Erste Allgemeine Schulabschluss kann nach der 10. Klasse oder später abgelegt werden, der Mittlere Schulabschluss nach der 12. Klasse. Ein großer Teil der Schüler – etwa 40 % aller Schüler an Schleswig-Holsteinischen Waldorfschulen – ergreift die Möglichkeit, nach der 13. Klasse das Abitur abzulegen.
Welche Abschlussprüfung sinnvoll angestrebt wird, ergibt sich aus Gesprächen zwischen Schülern, Eltern und Lehrern.

In der Oberstufe erweitern verschiedene Praktika, die den Fachunterricht nun ergänzen, das Unterrichtsangebot. Sie sollen die altersgemäßen Entwicklungsschritte der jungen Menschen fördern und schaffen die Grundlage für eine lebenspraktische Ausbildung.

Die Praktika der 9. und 10. Klasse im Handwerk und in der Landwirtschaft ermöglichen die Anwendung des schulischen Lernstoffs auf die Realität des Wirtschaftslebens. In der 10. Klasse können die Schüler ihre geometrischen Kenntnisse im Vermessungs-Praktikum anwenden und vertiefen. Wertvolle Einblicke in die Lebensbedingungen hilfebedürftiger Menschen lassen die Schüler im Sozialpraktikum der 11. Klasse durch eindrucksvolle Erfahrungen reifen.

Nicht selten entwickeln sich dabei Perspektiven für zukünftige Ausbildungsplätze.

Das bewegte Klassenzimmer

Lernen ganz ohne Tische – wie geht denn das?

Im Sommer 2005 startete unsere damalige 1. Klasse mit dem sogenannten Bochumer Modell – dem mobilen Klassenzimmer, mit dem seither in den Klassen 1 bis 4 gearbeitet wird. Die Waldorfpädagogik legt in der Unterstufe besonderen Wert auf die Entwicklung und Stärkung der vier Sinne Tastsinn, Lebenssinn, Bewegungssinn und Gleichgewichtssinn, die für eine gesunde körperliche, seelische und geistige Entwicklung unabdingbar ist. Um diesem Anspruch im Unterricht gerecht zu werden, sollte im Klassenzimmer Raum geschaffen werden. Ein mit Tischen und Stühlen vollgestellter Klassenraum im herkömmlichen Sinne bietet diese Voraussetzung eher nicht. Das mobile Klassenzimmer ist daher in Klasse 1 und 2 mit stabilen Holzbänkchen und festen Sitzkissen eingerichtet. Je zwei Schüler teilen sich eine Bank. Bei allen schriftlichen Arbeiten und beim Malen dienen die Bänkchen als Tische, die Kinder knien oder sitzen dann auf den Kissen. Ab dem 3. Schuljahr werden die Bänke durch klappbare, leicht zu verstauende Tische ergänzt.

Mühelos können die Kinder die handlichen Bänkchen zu einem Kreis aufbauen – dann ergibt sich in der Mitte ein großzügiges Forum. Es lassen sich rasch und zwanglos kleine und größere Arbeitsgruppen bilden, indem sich mit den Bänkchen Gruppentische verschiedener Größen unterschiedlich im Raum platziert aufbauen lassen. Im Weiteren ergibt sich die Möglichkeit, die entstandenen Arbeiten im Forum für alle sichtbar zu präsentieren.
Durch das große Platzangebot bietet sich täglich während der rhythmischen Arbeit für alle Kinder einer Klasse die Möglichkeit, gleichzeitig aktiv zu sein. Dabei ist jederzeit ein zwangloser Übergang vom Sitzen in die körperliche Bewegung und umgekehrt gegeben. Es ergibt sich eine Fülle von Übungsmöglichkeiten.

Die Entwicklung sozialer Fähigkeiten wird durch die Arbeit im Kreis in außerordentlich effektiver Weise gefördert. Der Kreis bietet jedem Kind die Möglichkeit, alle anderen Kinder während des Unterrichts zu sehen (und nicht nur deren Rücken). So wird ein wirkliches Gespräch möglich, denn Körperhaltung, Gestik und Mimik der Gesprächspartner können wahrgenommen werden.

 

Die Kunstreise

Die Kunstreise ist neben dem Klassenspiel, der Jahresarbeit sowie dem Eurythmie – und Musikabschluss Bestandteil des fünfgliedrigen Waldorfabschlusses. Dieser Abschluss ist von seinem Wesen als ein künstlerischer angelegt und stellt die selbstständige Arbeit der Schüler am (vorläufigen) Ende ihrer Schulzeit in den Mittelpunkt.

Die Reise findet an unserer Schule zum Ende des 12. Schuljahres statt und soll das intensive Eintauchen in die Kultur eines Landes – in unserem Falle schon seit vielen Jahren Italien – ermöglichen. Als letzte gemeinsame Unternehmung im alten Klassenverband, in dem sich die Schüler zum Teil schon seit dem Kindergarten kennen, kommt der Reise auch als Abschlussfahrt eine besondere soziale Funktion zu.

Nach verschiedenen Reisezielen der Vergangenheit, haben unsere Schüler mit ihren beiden Kunstlehrern nun schon seit fünf Jahren ein „festes Domizil“ in einem alten Chalet mitten in der Toskana, das sich seit dem 16. Jahrhundert im Familienbesitz befindet. Mit ihrem kulturellen und geschichtlichem Reichtum, der wunderbaren Landschaft und dem milden mediterranen Klima hält die Toskana geradezu ideale Bedingungen für die Kunstreise bereit. Das Programm der zehntägigen Reise setzt sich aus einem ca. sechstägigen Aufenthalt in der „Villa“ mit praktischer Arbeit wie Zeichnen, Malen, Land Art, Filmprojekten und einem Besuch der „Ewigen Stadt“ Rom zusammen, bei dem die Schüler sowohl bei gemeinsamen Besichtigungen historisch interessanter Stätten wie z.B. des Forum Romanum, der Vatikanischen Museen und des Petersdomes sowie einer frühchristlichen Katakombe als auch für sich die Gelegenheit haben, diese einzigartige Stadt kennen zu lernen. Sowohl der Aufenthalt in der Villa, bei dem die Vorbereitung der Mahlzeiten und alle anderen anfallenden Aufgaben von eingeteilten Schülergruppen übernommen werden, als auch der Aufenthalt in Rom werden von Schülerreferaten begleitet, die vor Antritt der Fahrt in schriftlicher Form anzufertigen sind.

Schon viele dieser gemeinsamen Fahrten haben unsere Kunstkollegen mit immer wieder neuen Klassen unternommen und immer wieder waren sich nach der Ankunft auf dem Hamburger Flughafen alle einig: Es war eine tolle Kunstreise und ein unvergessliches Erlebnis!

Musik lebt in uns allen und will herausgelockt und zum Klingen gebracht werden. Und das wollen wir gemeinsam tun. So geht es neben der Ausbildung der persönlichen musikalischen Fähigkeiten vor allem um das soziale Miteinander. Aufeinander hören und lernen, sich auszudrücken, sind wertvolle Eigenschaften für eine gelungene Kommunikation. Die Waldorfschule Kaltenkirchen bietet hierfür ein vielfältiges Angebot.

Die Schüler erhalten von der ersten Klasse an Musikunterricht, in dem über das gemeinsame Musizieren hinaus die theoretischen Grundlagen der Musik erlernt werden.

Bereits in der 1. Klasse beginnen die Kinder mit dem Erlernen eines gemeinsamen Instrumentes. Je nach Entscheidung des Klassenlehrers ist dies die pentatonische Kinderharfe oder Flöte.
Können die Kinder hier noch ganz in den Strom der schwebenden Melodien eintauchen, kommen sie mit der Einführung der C-Flöte im Laufe der 3. Klasse langsam auf die Erde und mit ihnen die Musik.

Der Unterstufenchor bietet den Kindern der 3. – 5. Klasse die Möglichkeit, einen großen Klangraum zu erleben, in dem sie sich als Teil erfahren dürfen. Die Jüngeren werden von den „Großen“ mitgetragen und gewinnen zunehmend Sicherheit im Halten der eigenen Stimme.

Ab der 5. bzw. 6. Klasse (je nach den jeweiligen Fähigkeiten am Instrument), steigen die Kinder in das Mittelstufenorchester und Gitarrenensemble ein oder singen, wenn sie kein Instrument erlernt haben, im Mittelstufenchor.

Einmal wöchentlich üben die Schüler, ihre eigene Stimme zu verfolgen und gleichzeitig die Ohren für das vielstimmige Geschehen drum herum zu öffnen: eine große Herausforderung und gleichzeitig Grundlage für die Entstehung und das Erleben eines gemeinsamen Orchester- bzw. Chorklanges.

Mit dem Eintritt in die Oberstufe gehört der wöchentlich stattfindende Oberstufenchor zum Stundenplan. Hier lernen die Jugendlichen, ihre persönliche Stimme zur Entfaltung zu bringen und – gerade wichtig für die jungen Männer nach dem Stimmbruch – ihre Stimmlage zu finden.

Für die leidenschaftlichen Sänger bietet die Schule eine Chor-AG. Außerhalb der Schulzeit in kleiner Gruppe kann hier intensiv an der Intonation und dem Klang gearbeitet werden.

Einen Teil des Waldorfabschlusses bildet der Musikabschluss in der 12. Klasse. Neben einem gemeinsamen Chor-Programm gibt es den Raum für instrumentale und gesangliche Darbietungen in Solo-Besetzung oder in kleinen Gruppen.

Fragen an die Waldorfschule

1. Wer war Rudolf Steiner und was hat er mit der Waldorfpädagogik zu tun?

Rudolf Steiner (1861–1925) ist der Begründer der Waldorfpädagogik. Emil Molt, Besitzer der Waldorf Astoria Zigarettenfabrik, gründete mit ihm zusammen 1919 die erste Waldorfschule in Stuttgart. Inhalt und Methode der Waldorfpädagogik beruhen auf Rudolf Steiners Erkenntnissen über die Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Neben der Waldorfpädagogik fanden Rudolf Steiners geisteswissenschaftliche Forschungen auch Eingang in die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die Medizin und die Kunst.

2. Muss ein Kind musisch begabt sein, damit es für die Waldorfschule geeignet ist?

Nein, die Waldorfschule ist eine Schule für alle Begabungsrichtungen. Die neuere Hirnforschung hat aber eindrucksvoll belegt, dass Kinder und Jugendliche durch künstlerisches Üben viele Kompetenzen erwerben, die weit über die unmittelbare Tätigkeit hinausreichen. Wenn Waldorfschüler malen, zeichnen, plastizieren oder musizieren, geht es daher vor allem um die Schulung differenzierter Wahrnehmungen und die Entfaltung ihres schöpferischen Potentials; die Begabungen der einzelnen Schüler werden dabei natürlich berücksichtigt. Waldorflehrer sind bestrebt, den Verstand, die Kreativität und die eigenständige Persönlichkeit ihrer Schüler gleichgewichtig zu entwickeln.

3. Ist es nicht so, dass hauptsächlich Kinder mit Lernschwierigkeiten auf eine Waldorfschule gehen?

Nein. Ausdrücklich nein. An Waldorfschulen lernen Kinder aller Begabungsrichtungen wie an staatlichen Regelschulen auch, nur dass hier neben intellektuellen Fähigkeiten gleichgewichtig auch soziale und handwerklich-künstlerische Fähigkeiten gefordert und gefördert werden. Die individuelle Förderung von Kindern mit besonderem Assistenzbedarf ist eine wichtige Säule der Waldorfpädagogik, die entweder in Schulen mit einem inklusiven Konzept oder in heilpädagogischen Förderschulen umgesetzt wird.

4. Ist Waldorfpädagogik nicht so etwas wie das Vorgaukeln einer heilen Welt? Kommen die Schüler später denn überhaupt mit der „harten Realität“ zurecht?

Die Praxis zeigt, dass gerade Waldorfschüler von Ausbildern besonders geschätzt werden. In einer Schule, die nicht nur die intellektuellen Fähigkeiten anspricht, entwickeln sich Schlüsselqualitäten wie Teamfähigkeit, Kreativität und die Fähigkeit, prozessual zu denken, vom ersten Schultag an. Umfangreiche Absolventenstudien zeigen, dass Waldorfschüler in allen Studien- und Berufsfeldern sehr erfolgreich studieren und arbeiten.

5. Die Waldorfschule nennen sich „freie Schulen“. Heißt das, dass die Kinder dort antiautoritär erzogen werden?

Der Begriff „freie Schulen“ bedeutet nicht, dass es keine Regeln gibt, sondern dass diese Schulen eine weitgehende pädagogische Autonomie haben.
Waldorflehrerinnen und –lehrer bauen in der Unterstufe ein von „liebevoller Autorität“ geprägtes Verhältnis zu ihren Schülern auf. Kinder suchen ihre Grenzen. Nur wenn sie Grenzen von Erwachsenen erfahren, fühlen sie sich einerseits sicher und erleben sich andererseits als eigene Persönlichkeit. Im Laufe der Schulzeit wandelt sich das Lehrer-Schüler-Verhältnis immer mehr zu einer umfassenden Lernpartnerschaft.

6. Kann ein Lehrer in allen Fächern überhaupt qualifiziert unterrichten?

Klassenlehrer an einer Waldorfschule decken tatsächlich ein großes Spektrum an Fächern ab. In besonderen Ausbildungswegen, die sie in einem Vollstudium oder postgraduiert im Anschluss an eine wissenschaftliche Ausbildung an einem der Seminare im Bund der Freien Waldorfschulen oder an einer Hochschule mit Waldorfqualifikation durchlaufen, werden sie gezielt darauf vorbereitet. Für Klassen-, Fach- und Oberstufenlehrer gilt gleichermaßen, dass ihre Ausbildung mindestens gleichwertig zur staatlichen Ausbildung sein muss. In der Unter- und Mittelstufe liegt der Schwerpunkt allen Lernens nicht nur auf der Vermittlung reinen Fachwissens, sondern es geht auch darum, den Schülern eine lebendige erfahrungsgesättigte Beziehung zu den Lerninhalten zu ermöglichen. So kann lernen Freude machen – ein Leben lang.

7. Was ist unter Epochenunterricht zu verstehen?

Während der ersten beiden Stunden eines Schulvormittags arbeiten die Schüler über mehrere Wochen intensiv an jeweils einem Fachgebiet. So haben die Schüler zum Beispiel drei Wochen lang jeden Morgen zwei Stunden Mathematik, Deutsch, Geschichte oder ein anderes Hauptfach. Nach einigen Wochen wechselt der Inhalt der Epoche zu einem anderen Thema, sodass die Schüler sich intensiv damit verbinden. Grundfertigkeiten wie Rechnen oder Schreiben festigen die Schüler über den Epochenunterricht hinaus in fortlaufenden Übstunden. Im Anschluss an den Epochenunterricht übernehmen Fachlehrer den Unterricht in Fremdsprachen, Sport, Eurythmie, Religion, Musik und in den handwerklich-künstlerischen Fächern.

8. Werden Kinder an der Waldorfschule weltanschaulich unterrichtet?

Die von Rudolf Steiner entwickelte Anthroposophie ist eine Erkenntnishilfe für die Lehrer, zu keinem Zeitpunkt aber ist sie Gegenstand des Unterrichts. Da die Waldorfschule eine überkonfessionelle Schule ist, entscheiden zunächst die Eltern, welchen Religionsunterricht ihr Kind besuchen soll. Später entscheiden die Jugendlichen das dann selbst.

9. Was hat es mit dem Fach Eurythmie auf sich?

Eurythmie ist eine Bewegungskunst, die an Waldorfschulen in allen Klassen unterrichtet wird. Im Unterschied zu gymnastischen, pantomimischen oder tänzerischen Bewegungen, die völlig frei gestaltet werden können, gibt es in der Eurythmie für jeden Buchstaben und jeden Ton eine ganz bestimmte Gebärde – es handelt sich also um sichtbar gemachte Sprache und Musik. In der Lauteurythmie stellen die Schüler zum Beispiel dar, was in einem Gedicht an Lauten lebt, und in der Toneurythmie, was in den Tonintervallen einer musikalischen Komposition lebt.

Text: aus der Reihe „Blickpunkt“, Broschüre 7, Bund der Freien Waldorfschulen